Endometriose und Psyche
Endometriose kann starke Schmerzen verursachen – besonders während der Regelblutung, beim Geschlechtsverkehr oder auch beim Wasserlassen und Stuhlgang. Viele Betroffene kämpfen zudem mit Unfruchtbarkeit und chronischer Erschöpfung.
Was viele nicht wissen: Endometriose betrifft nicht nur den Körper – sie kann auch die Seele stark belasten. Depressionen und Angststörungen kommen bei Betroffenen deutlich häufiger vor als bei Menschen ohne Endometriose. Dafür gibt es mehrere Gründe.
Warum macht Endometriose so oft auch psychisch krank?
1. Ständige Schmerzen
Wer über Monate oder Jahre hinweg Schmerzen hat – oft täglich – wird körperlich und seelisch ausgelaugt. Es fällt schwer, Freude zu empfinden, Kontakte zu pflegen und auch manche Tätigkeiten und Hobbys lassen sich durch die Schmerzen nicht nachgehen. Das kann zu Depressionen führen.
2. Alltag stark eingeschränkt
Endometriose kann das Leben in vielen Bereichen erschweren: Arbeit, Partnerschaft, Sexualität, Freizeit, Kinderwunsch. Wenn wichtige Lebensbereiche durch die Krankheit beeinträchtigt werden, sinkt das Selbstwertgefühl – und das Risiko für seelische Erkrankungen steigt.
3. Hormonbehandlungen
Meistens werden Endometriose-Betroffenen hormonelle Behandlungen verschrieben. Das kann bei Betroffenen Stimmungsschwankungen, Antriebslosigkeit oder depressive Verstimmungen auslösen. Diese Nebenwirkungen von hormonellen Therapien werden bei der Verschreibung durch Ärzt:innen oft nicht thematisiert.
4. „Medical Gaslighting“
Viele Endometriose-Betroffene berichten, dass sie jahrelang mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen wurden. Sie bekommen Sätze wie „Das sind normale Regelschmerzen“, „Das ist psychisch“ oder „Du bist bloß sensibel“ zu hören. Solche Aussagen von medizinischem Personal, beispielsweise Äzt:innen, nennt man medical gaslighting. Es bedeutet, dass echte Beschwerden abgetan oder als Einbildung dargestellt werden. Das kann sehr verletzend sein und zu tiefem Misstrauen, Selbstzweifeln und psychischer Belastung führen.
Was sagen wissenschaftliche Studien?
Mehrere Studien aus den letzten Jahren zeigen deutlich, dass Frauen mit Endometriose wesentlich häufiger an Depressionen, Angststörungen und anderen psychischen Belastungen leiden. Eine Studie aus Taiwan mit über 22.000 Teilnehmerinnen ergab ein um 50 % erhöhtes Risiko für Depressionen [Chen et al. 2016] bei Frauen mit Endometriose. Andere Studien fanden sogar noch höhere Raten – zum Beispiel berichteten in einer brasilianischen Untersuchung über 85 % der Befragten von depressiven Symptomen [Sepulcri & do Amaral 2009].
Besonders stark betroffen sind Frauen mit chronischen Schmerzen und jene, die über Jahre hinweg mit ihren Beschwerden nicht ernst genommen wurden – in anderen Worten, die medical gaslighting erfuhren.
Eine groß angelegte Studie aus dem Jahr 2023 von Koller et al. zeigte erstmals, dass es auch genetische Überschneidungen zwischen Endometriose und psychischen Erkrankungen gibt. Das bedeutet: Es geht nicht nur um die Schmerzen und die Erfahrungen – auch biologische Faktoren spielen eine Rolle.
Neueste Studien zeigen einen genetischen Zusammenhang zwischen Endometriose und Depressionen
Was kannst du tun, wenn dir die Endometriose psychisch zu schaffen macht?
Wenn du merkst, dass deine Stimmung über Wochen gedrückt ist, du oft traurig bist, keinen Antrieb hast oder dich wertlos fühlst, ist das kein persönliches Versagen, sondern ein möglicher Hinweis auf eine Depression. Du bist nicht allein – und es gibt Hilfe.
Hier sind konkrete Schritte, die du gehen kannst:
1. Sprich es bei deiner Ärztin oder deinem Arzt an
Wenn du psychisch stark belastet bist, sprich das bei deinem nächsten Arzttermin offen an. Gute Ärzt:innen nehmen das ernst – und können dich ggf. weitervermitteln (z. B. zur Psychotherapie).
Wenn du wegen der Endometriose oder der Adenomyose eine Hormontherapie machst, kommt eventuell ein anderes Präparat oder ein nicht-hormoneller Therapieansatz für dich in Frage. Sprich deine Gynäkologin oder Gynäkologen auf eine mögliche Therapieumstellung an.
2. Psychotherapie in Anspruch nehmen
Eine Psychotherapie kann helfen, mit den psychischen Belastungen besser umzugehen. In vielen Fällen übernimmt die Krankenkasse die Kosten. Allerdings sind die Psychotherapie-Plätze in Deutschland rar und die Wartelisten lang. Wenn du psychologische Hilfe wünschst, warte also nicht zu lange, um nach einem Therapieplatz zu suchen. Hilfestellung kann die dir evtl. deine Krankenkasse geben, aber auch der die Kassenärztliche Vereinigung deines Bundeslandes oder der Terminservice der 116117.
3. Selbsthilfegruppen nutzen
Auch der Austausch mit anderen Betroffenen kann psychisch entlasten. Viele Betroffene berichten von Erleichterung, da sie in Selbsthilfegruppen auf echtes Verständnis treffen und sich über Tipps und Erfahrungen austauschen können. Selbsthilfegruppen gibt es vor Ort oder online – zum Beispiel über die Endometriose-Vereinigung Deutschland.
Fazit
Endometriose betrifft nicht nur den Körper. Viele Betroffene entwickeln im Laufe der Zeit auch psychische Beschwerden – vor allem Depressionen. Die Gründe sind vielfältig: dauerhafte Schmerzen, gesellschaftliches Unverständnis, medizinische Abwertung und die Auswirkungen der Erkrankung auf fast alle Bereiche des Lebens.
Es ist wichtig, diese seelischen Belastungen nicht auszuhalten oder auszusitzen. Such dir möglichst Unterstützung und sei dir bewusst, dass du nichts für die Depressionen oder psychischen Belastungen kannst.
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Referenzen:
Sepulcri Rde P, do Amaral VF. Depressive symptoms, anxiety, and quality of life in women with pelvic endometriosis. Eur J Obstet Gynecol Reprod Biol. 2009 Jan;142(1):53-6. doi: 10.1016/j.ejogrb.2008.09.003.
Chen LC, Hsu JW, Huang KL, Bai YM, Su TP, Li CT, Lin WC, Tsai SJ, Chen TJ, Pan TL. Risk of developing major depression and anxiety disorders among women with endometriosis: A longitudinal follow-up study. J Affect Disord. 2016;190:282–285. DOI: 10.1016/j.jad.2015.10.030
Koller D, Kaneko Y, Fung J, et al. Epidemiologic and Genetic Associations of Endometriosis With Depression, Anxiety, and Eating Disorders. JAMA Network Open, 2023 Jan 3;6(1):e2251214. DOI: 10.1001/jamanetworkopen.2022.51214